Erörterung im Saray: Verlegung
der Wilhelmsburger Reichsstraße
von Michael Rothschuh, Mai
2012
Die
Planfeststellungsbehörde. Zeichnung: (c)Astrid
Stichnoth
„Aufgerufen wird die
Erörterung zum Gemeinsamen
Planfeststellungsverfahren für die Verlegung der
B 4/75 (Wilhelmsburger Reichsstraße), die
Anpassung von Eisenbahnbetriebsanlagen
und die Errichtung von Lärmschutzanlagen in
Wilhelmsburg.“
Es war wie vor Gericht. Vom
23.-27.Mai, jeden Tag ab 10 Uhr.
Das Gebäude passt: „Saray“
ist ein Begriff für einen Palast, tatsächlich
ist es ein kleines Gebäude im Gewerbegebiet der
Schlenzigstraße. Oft werden im Saray türkische
Hochzeiten gefeiert, entsprechend feierlich
geschmückt ist der Saal.
Vorne
die „Richter“: Vier Herren von der
„Planfeststellungsbehörde“,
vor allem Herr Krause und Herr Friedrich.
Die „Planfeststellungsbehörde“ ist eigentlich
keine Behörde, sondern eine Abteilung eines
Amtes einer Behörde.
Vorne links: Die Partei des
„Vorhabenträgers“. Das sind eigentlich zwei: die
Deutsche Bahn für die Verlegung von Bahngleisen
und den dazu gehörenden Lärmschutz und die
Hamburger Wirtschafts- und Verkehrsbehörde für
die Reichsstraße und deren Lärmschutz. Das Wort
aber führt die DEGES (Deutsche Einheit
Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH), die in
Hamburg die A7, die Hafenquerspange und die
Wilhelmsburger Reichsstraße plant.
Im Saal, die „Einwender_innen“.
Nach Auslage der Planunterlagen vor einem Jahr
konnte man Stellungnahmen abgeben. Unter den
Einwendungen ist auch eine Sammeleinwendung des
„Rechtsschutzes Lebenswertes Wilhelmsburg“
(RELEWI), in dem über 200 Bewohner_innen
vorwiegend aus der unmittelbaren Umgebung der
geplanten Reichstraße zusammen geschlossen sind.
Ebenfalls jeweils für einen
Tag im Saal die Träger der „öffentlichen
Belange“ und der Naturschutzverbände mit ihren
oft kritischen Stellungnahmen.
Kritische Punkte sind in
diesen Tagen unter anderem:
1)
Der Zeitplan: Der
Bau der WRS soll mindestens vier Jahre dauern.
So lange bleibt dann auch die Behelfsbrücke der
Kornweide. Ob die Bahn Geld für zeitige
Umsetzung der Pläne bereit gestellt hat, bleibt
unklar.
Quelle:
DEGES-WebsiteAusschnitt zur Wihelmsburger
Reichsstraße
2)
Die Zukunft der
alten WRS: Abgerissen wird nur die Brücke über
den Ernst-August-Kanal, die übrige WRS wird
entsiegelt und neu begrünt, mit einer Ausnahme:
Nach den Vorstellungen der DEGES soll die
alte WRS von der Rotenhäuser Straße zur
Schlenzigstraße weiter betrieben werden als
Verbindung zwischen WRS und Hafen. Entscheiden
und zahlen muss dies aber Hamburg.
3)
Die
Anschlussstelle Wilhelmsburg-Mitte in Höhe
Rotenhäuser Straße: Die Polizei erläutert die
drohende Situation in der Dratelnstraße an den
Schulen und im engen Wohngebiet am Bahnhof; für
die Rotenhäuser Straße schlägt sie eine
vollständige Absperrung in Höhe der jetzigen
Reichsstraße vor.
4)
Die
städtebauliche Zukunft: Ein Wohngebiet um den
Jaffekanal könnte nur entstehen, wenn die WRS
dafür wieder umgebaut wird.
Bewohner_innen stellen
Anträge, über die erst später entschieden wird:
·
Offenlegung der
langfristigen Pläne der Bahn für einen
Vorstellbahnhof und Kreuzungsbauwerke
·
Unabhängiges
Gutachten zur Sicherheit der engen Doppeltrasse
von Bahn
und Straße, da bei vergleichbaren
Projekten breite Sicherheitsschneisen und Wälle
dazwischen gebaut werden.
·
Klärung der
Verkehrsprognosen auch für die Bahn.
·
Durchgehend
gleich hohe Lärmschutzwände an der S-Bahn.
Deutlich wird, dass der
Bedarf für den Ausbau der WRS nicht nachgewiesen
ist: Weder gibt es ein Gutachten zur der
Tragfähigkeit der bisherigen Straße, die
Sicherheit der Straße ist nicht mit der anderer
Straßen verglichen, die Prognosen eines
steigenden Verkehrs der WRS – seit 1995 gab es
keine Zunahme – werden vom DEGES-Vertreter
selbst als „worst case“ eingestuft, der nicht
eintreten würde.
Beantragt wird deshalb, die
Alternative zu unabhängig prüfen zu lassen:
WRS in
jetziger Breite, lärmgemindert durch Tempo 50,
den Einsatz von lärmminderndem Asphalt und
verkehrslenkende Maßnahmen zur Verlagerung des
Durchfahrtverkehr auf die A1. Dies könnte auch
zu einer stärkeren Nutzung der S-Bahn gegenüber
der Straße führen. Die Bahn ihrerseits brauchte
dringend effektiven Lärmschutz, der ohnehin von
der Bahn selbst gezahlt werden müsste.
Wie geht es weiter: In
einigen Monaten kommt das „Urteil“, der
Planfeststellungsbeschluss. Gefragt, wie oft die
Planfeststellungsbehörde denn schon ein Vorhaben
in den letzten 17 Jahren abgelehnt habe,
kommt die Antwort: Noch nie. Vielleicht
gibt es Planänderungen.
Michael Rothschuh
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